»Das Schaurig-Schöne fasziniert mich.«
Ulla Reiter schafft Skulpturen aus Schaumstoff – faustgross oder mehrere Meter lang und hoch. Sie lässt sich ebenso von Science-Fiction-Figuren inspirieren wie von Religion, Gothic Novels oder Comichelden. Das erste Mal arbeitete sie 2008 mit dem ungewöhnlichen Werkstoff: Aus Spülschwämmen einer Drogeriemarktkette schuf sie das Werk »Englischer Garten«. Im Interview erzählt Sie uns, wie Sie zu der ausgefallenen Kunst gekommen ist und welche Rolle dabei das Material spielt.
PACKgespräch.: In Ihrem Studium haben Sie sich zunächst dem Zeichnen gewidmet, wie kamen Sie zu dem Material Schaumstoff?
Ulla Reiter:
»Ich war auf der Suche nach einem weichen und ungewöhnlichen Material zum Bildhauern. Meine erste Arbeit entstand, nachdem ich die Nackerten im Englischen Garten gesehen hatte. Ich zeichnete sie und schnitzte dann im Atelier skurrile Akte aus Putzschwamm.«
Ihre Werke sind seitdem aus der Spülschwammkategorie herausgewachsen, Skulpturen wie Apokalyptische Reiter messen 290 mal 450 mal 130 Zentimeter. Brauchen die ein Stützkorsett, um nicht zusammenzufallen?
»Nein, das Material ist erstaunlich stabil. Ich beziehe es direkt vom Werk in Blöcken. Als ich anfing, reizte mich aber gerade der Schaumstoff aus alten Turnmatten.«
Wie bearbeiten Sie das Material?
»Ich habe eine ganz eigene Technik. Ich nutze ein Elektromesser, so wie man es zum Dönerschneiden verwendet, Weberschere und Sezierbesteck.«
Müssen Sie bei der Bearbeitung auf etwas Besonderes achten?
»Das Material ist fest und weich zugleich. Da es nachgibt, muss ich mir genau überlegen, wo und wie ich die Schnitte ansetze.«
Schneiden Sie kreativ drauflos, oder gibt es einen Plan, wie die Skulptur aussehen soll?
»Nein (lacht). Zu Beginn zeichne ich viel, daraus entsteht meist eine finale Zeichnung für die Skulptur. In der Bearbeitung verändert sich das Werk natürlich. Ich trete dann zurück, schaue mir die Skulptur an und merke, wo noch etwas zu tun ist. Manchmal warte ich auch ein, zwei Tage und lasse den Eindruck auf mich wirken, bevor ich wieder zum Dönermesser greife.«
Sie haben mit Schaumstoff einen Werkstoff gewählt, der vergänglich ist?
»Das ist in der Tat ein Problem, das mich sehr beschäftigt. Bisher konnte sich noch kein Experte festlegen, wie lange das Werk hält. UV-Licht schadet dem Schaumstoff, insofern wickele ich die Exponate ein, damit sie geschützt sind. Ein Sammler hat für eines meiner Werke extra einen Plexiglaskasten bauen lassen, der das UVLicht filtert.«
Abschliessend: Wie werden Ihre fragilen Kunstwerke eigentlich transportiert?
»Das ist schwierig, ich miete meist einen Transporter, zurre sie vorsichtig fest und versuche, sie möglichst unbeschadet zu den Ausstellungen zu bekommen.«
Fotos: Uli Präcklein (Ohne Titel/Dirigent (Five-Headed Conductor)); Klaus Reiter (Apokalyptische Reiter)
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